Der Räuberschatz der Krepe

Dort, wo der Speckgraben in die Uchte mündet, zwischen Borstel und Eichstedt, soll einmal eine Burg gestanden haben. Und diese Burg, die "Krepe" hieß, soll sogar eine der größten Burgen in der gesamten Altmark gewesen sein.

 

Aber sie wurde schon vor vielen Jahrhunderten bei einer blutigen Fehde erobert, niedergebrannt und zerstört bis auf die Grundmauern.

 

Dort, wo einst stolze Ritter durch hohe Hallen liefen, hausten bald wilde Räuber in zerfallenen Ruinen.

 

Eine solche Räuberbande war lange Zeit der Schrecken der ganzen Umgegend. Nichts blieb vor ihr sicher, die Räuber überfielen einsame Wanderer genauso wie sie vorüberziehende Kaufleute bis auf's letzte Hemd ausplünderten.

 

Und hatten sich die Strolche mal genug Kraft angetrunken, verschonten sie auch die umliegenden Dörfer nicht.

 

Waren die Wanderer auch meist nur arme Landstreicher, an denen diese Räuber auf leiste Weise ihr Mütchen kühlen konnten, so hatten die Kaufleute auf ihren Fuhrwerken immer ein paar Waren, die der Räuber Gier erweckten.

 

In den Dörfern stahlen sie Schweine und Ochsen, nahmen auch gern Würste und Schinken und Butter. Alle diese geraubten Schätze schleppten sie in ihr Versteck, eine Höhle tief im Burgberg – und was sich nicht verfressen und versaufen ließ, bewahrten die Räuber in einer großen, gar goldenen Wiege auf.

 

Außer den Räubern wusste nur noch ein Mensch von dieser seltsamen Schatztruhe – das war ein junges Mädchen aus einem der Nachbardörfer. Die Räuberbande hatte eines schönen Tages ihr Dorf überfallen, und weil die Räubersleut' wohl kräftig rauben und stehlen und mächtig fressen und saufen, aber nicht kochen und in ihrer Räuberhöhle Ordnung halten konnten, schleppten sie einfach ein junges, kräftiges Bauernmädchen mit sich fort: Es sollte ihnen fortan den Räuberhaushalt führen.

 

Doch welchem fleißigen und ehrsamen Mädchen gefällt es schon bei den wilden Räubern? Um nichts in der Welt wollte das Mädchen hier in der Höhle des Burgberges der Krepe bleiben.

 

Das merkten natürlich auch die Räuber, denn sie waren zwar wild, aber nicht dumm, und deshalb beobachteten sie jeden Schritt ihrer Gefangenen. Keinen Moment ließen sie das Mädchen aus den Augen.

 

Sogar wenn die Bande aufbrach zu ihren meist nächtlichen Streifzügen und sie dabei jeden Mann gebrauchen konnten, blieb einer der Räuber zur Bewachung des Mädchens zurück.

 

Aber das Mädchen sann auf Flucht und wartete nur auf eine günstige Gelegenheit.

 

Als nun eines Morgens die Räuber von einem anstrengenden Raube in ihre Höhle zurückkehrten und alsbald alle in tiefem Schlafe schnarchten, ja, sogar ihr Bewacher, entwischte das Mädchen aus der Räuberburg und rannte, so schnell es nur konnte, durch die Felder und Wiesen dem Dorfe Eichstedt zu.

 

Doch, o Graus, die Räuber merkten gleich die Flucht ihrer Gefangenen. Eilig sprangen sie auf ihre Pferde und trieben sie zum schärfsten Galopp an.

 

Schon sahen sie die Flüchtige auf das Dorf zulaufen. Aber so sehr die Räuber auch ihre Pferde antrieben, es gelang ihnen nicht mehr, das Mädchen noch vor dem Dorfe wieder einzufangen.

 

in das Dorf wagten sich die Räuber am hellen Tage nicht, denn viele Bauern und Knechte waren auf das Geschrei des Mädchens und der Räuber aufmerksam geworden und traten, bewaffnet mit Forken und Knüppeln, auf die Straße.

 

Nun mussten die Räuber ihrerseits an Flucht denken, sie rissen die Pferde herum. Aber einer von ihnen warf noch voller Wut ein riesiges Schwert nach dem flüchtenden Mädchen, um es zu töten. Es sollte das Geheimnis der Räuberburg nicht verraten können.

 

Doch glücklicherweise traf das Schwert nicht. Es schnitt nur den langen blonden Zopf des Mädchens ab. Kaum war das Mädchen in Sicherheit, da musste es natürlich berichten.

 

Und alsbald versammelten sich die Bauern von Eichstedt, ja sogar der umliegenden Dörfer, und sie zogen schwerbewaffnet zu dem Schlupfwinkel der Räuberbande.

 

Das Mädchen, das aus deren Gefangenschaft geflohen war, kannte den Weg dorthin ja auf's Beste.

 

Nach einem blutigen Kampfe gelang es den zu allem entschlossenen und todesmutigen Bauern, die wilden Räuber zu überwältigen. Sie wurden gefangengenommen, und sie büßten alle am Galgen für ihre Verbrechen.

 

Die goldene Wiege voller unsagbarer Schätze, die das Mädchen im Burgberg gesehen hatte, aber fanden die Bauern trotz langem Suchens nicht.

 

Dieser kostbare Schatz blieb verschwunden. Mag sein, dass er noch heute irgendwo dort in der alten Krepe tief in der Erde liegt ...

 

 

Fachlicher Nachtrag über die "Krepe"*:

 

Die Krepe lag dicht an der Uchte, fast eine Meile nördlich von Stendal zwischen Borstel und Eichstedt, nahe dem Einfluss des Speck in die Uchte. Sie war eine Burg mitten im Eichenwald. Ein gewisser und bedeutender Beckmann bezeugt (1742), dass von ihr außer unbedeutenden Trümmern nur noch der Burghügel und der Burgwall erhalten seien, auf Letzterem stünden drei mächtige Eichen. Die Eichen sind inzwischen gefällt; an die Stelle des Waldes ist eine bruchige Wiese getreten. Burgwall und Burghügel sind noch heute vorhanden. Sie wurden im Jahre 1986 zum Bodendenkmal erklärt.

 

Die Ortsbezeichnung „Krepe“ mag mit dem Wort „Graf“ bzw. „weltlicher Richter“ zusammenhängen; niederdeutsch heißt derselbe „Greve“, „Grebe“. Das verbindet sich mit der Überlieferung, dass die Krepe vormals ein alter Gerichtsplatz gewesen ist. Die alte Stätte erinnert an das altdeutsche Gerichtswesen in der Zeit vor dem 13. Jahrhundert. Damals übten die Landesherren selbst die Gerechtigkeitspflege aus und betrachteten die Gerichtsgebühren als einen wichtigen Teil ihrer fürstlichen Einkünfte. Später verpfändeten oder veräußerten die Landesherren die Gerichtsbarkeit oft den Städten, um ihren Geldmangel dadurch zu decken.

 

* aus Wikipedia